Der Mensch
In Reus oder in Riudoms geboren?Sein Werk
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Timeline / ZeittafelSpiritualität
Seine Beziehung zu Gott
Lang diskutiertes Thema, denn eine Urkunde seiner Geburt gibt es nicht. Das zivile Register der Geburten begann erst im Jahre 1870. Bis zu diesem Zeitpunkt galt nur die Eintragung der Taufe im Pfarrbuch. Antoni wurde am 25. Juni 1852 geboren und am Tag danach in der Kirche St. Pere in Reus getauft.
Gaudí selbst schreibt in allen Dokumenten "Reus" als Ort seiner Geburt; bei der Immatrikulation in der Hochschule für Architektur, in der Dokumentation für den Militärdienst und immer weiter bis zum Testament. Auch für eine Geburt in Reus spricht die damalige Gewohnheit bei vielen Frauen, im Haus der eigenen Mutter zu gebären, und die Tatsache, dass die Taufe am Tag nach der Geburt in Reus stattfand. Die Entfernung zwischen beiden Orten beträgt nur 6 Km; trotzdem wäre es 1852 keine leichte Angelegenheit für eine Mutter gewesen, nach Reus zu reisen.
Für die Geburt in Riudoms sprechen einige Zeugnisse, auch mündliche von Gaudí selbst an Freunde (Joan Bergós, Cèsar Martinell). Er fühlte sich mit Riudoms und dem kleinen Landhaus Mas de la Calderera sehr verbunden. Dort hatte sein Vater als Kesselschmied gearbeitet; dort hatte Antoni als Kind lange Aufenthalte wegen rheumatisches Fieber verbringen müssen. Auch eine berufliche Enttäuschung in Reus – die Ablehnung eines Entwurfes für die Wallfahrtskirche Unserer Lieben Frau der Barmherzigkeit (Misericordia) 1903 – hatte ihn innerlich etwas von Reus entfernt. So konnte der leidenschaftliche Architekt – im Gespräch mit Freunden – aus dem Gefühl heraus Riudoms als Geburtsort angeben.
Quellen:
Joan Bergós y Massó, Gaudí, el hombre y la obra. Lunwerg, Barcelona 1999, S. 23
Ana M. Férrin, Gaudí. De piedra y Fuego, Jaraquemada Ed. 2001, S.61-68
In der Tat hat Antoni Gaudí nie geheiratet. Er war aber kein Ordensmann. In seinem Leben kann man in dieser Beziehung zwei verschiedene Perioden deutlich erkennen: die Zeit vor und die Zeit nach seiner endgültigen Entscheidung, nicht zu heiraten – als er etwa 50 Jahre alt war.
In der ersten Zeit, vor seinem Verzicht auf die Ehe, ist beim Architekten eine deutliche Suche nach der Frau seines Lebens nicht erkennbar, oder sie war durch die starke Leidenschaft für die Architektur nur als Sparflamme gehalten. Schon in der Zeit des Studiums hat er nebenbei viel Zeit in der Forschung investiert. Als seine Kommilitonen in der Hochschule für Architektur nach den Vorlesungen nach Hause gingen, blieb Antoni Stunden lang in der Bibliothek und las und las ohne Ende: meistens nicht für die Fächer seines Studiums sondern für seine Bildung, für das Wissen. Das hat ihm immer wieder Schwierigkeiten bei den Prüfungen bereitet, denn die Materie selbst der Prüfung hat ihn nicht immer interessiert. Im Geiste, in der Bildung des Denkens war er aber viel weiter als seine Studienkollegen. Er konnte die Geschichte der Architektur, des Bauens, der Technik, der Statik, der Ideen, der Ästhetik wie sonst keiner beherrschen. Gaudí lebte in der Welt der Architektur: in der Hochschule, auf der Strasse, im Gespräch mit anderen Menschen. So kann man vielleicht erklären, dass einmal eine mögliche Kandidatin als rein platonische Liebe blieb; bei einer anderen, Josefa Moreu (Pepeta) aus Mataró, kam er zu spät: als er endlich sich darüber Gedanken machte, Sie auf die Ehe anzusprechen, erfuhr Antoni, dass die Pepeta gerade verlobt war: ein anderer, Josep Caballol, war schneller als er gewesen, oder die gut gebildete, intelligente Pepeta wollte nicht ewig auf die Initiative des Architekten warten, der die Architektur wie eine ständige Schwangerschaft in seinem Kopf trug – Antoni Gaudí leitete in Mataró 1878-1883 den Bau einiger Gebäude für die "Mataronense", eine Genossenschaft. Eine andere Dame, jetzt eine fromme, junge Frau, Dolors Canals, kam ihm etwas näher, aber bevor sich die Beziehung Richtung Ehe entwickeln konnte, traf Dolors 1885 die Entscheidung, Nonne zu werden.
Irgendwann erkannte Gaudí das Ganze als "Signal von Oben". Er sollte nicht der Mann einer Frau werden sondern der Architekt Gottes. Die Arbeiten an der Sagrada Familia beschäftigten ihn immer mehr: Eine Kathedrale zu bauen hatte andere Dimensionen als zivile Gebäude, als Wohnungen, und verlangte andere Voraussetzungen vom Baumeister. Dazu kam, dass diese Kirche eine Sühne-Kirche sein sollte. Er begann, selbst einen Weg der Sühne zu gehen, des Verzichtes, der Askese. Antoni Gaudí hatte mittlerweile seine Beziehung zu Gott vertieft, er führte bereits ein tiefes geistliches Leben. Die Basis, auf der er ein anderes Leben aufbauen konnte, war da. Er traf so die Entscheidung, auf die Ehe endgültig zu verzichten und nur für die Sagrada Famila zu arbeiten, oder besser gesagt, für sie zu leben. Andere Aufträge wurden abgelehnt oder in Hinblick auf den Bau der Sagraga Familie weiter geführt. So war der Entwurf der Kirche der Kolonia Güell und der Bau ihrer Krypta ein Übungsfeld für die Lösungen – in anderen Dimensionen – an der neuen Kathedrale.
Das Herz, die Fähigkeit zu lieben, wurde exklusiv an Gott verschenkt, an das Haus Gottes, die Sagrada Familie, an die Lieblinge Gottes: an die Armen, die Kinder, die Kranken, die Sterbenden. 1906 baut er mit seinem Geld eine Schule an der Sagrada Familia: für die Kinder der Arbeiter der Kirche und auch für Kinder armen Familien des Stadtviertels; er besucht regelmäßig Kranke und Sterbende im Hospital de la Santa Creu, wor er selbst 1926 in absolute Armut diese Welt verlassen hat.
Gaudí hat nicht nur auf die Ehe verzichtet, als er etwa 50 Jahre alt war, sondern auch auf jede menschliche Liebe zu einer Frau. Einmal hat er sich einem Freund, M. Rius, anvertraut, Gott habe ihm die Gabe der Keuchheit geschenkt, was viele Mühen und Schwierigkeiten ersparen könne. Es gibt in diesem Bereich bei ihm keine Hintertür, kein geheimes Liebesleben. Er wird dabei geistlich begleitet von Pater Lluís Maria de Valls i Riera, der Kongregation vom Oratorium des Heiligen Philipp Neri. Antoni Gaudí lebt so für alle Menschen, für seine Sagrada Familia, für Gott. Die Vorstellung, Gaudí habe in den letzten Jahren zurückgezogen, alleine, isoliert gelebt, trifft nur zum Teil, oberflächlich. Er fühlt sich wohl bei den einfachen Menschen und arbeitet für die ganze Stadt, für alle Menschen, für Gott. Als er am 7. Juni 1926 von einer Straßenbahn schwer verletzt wird, hielt man ihn für einen Obdachlosen. Aber sein Tod drei Tage später versetzt die Stadt Barcelona in Bestürzung. Beim grandiosen Trauerzug vom Hospital, in der Nähe des Hafens, mit Station in der alten Kathedrale, und weiter durch die Stadt bis zur Sagrada Familia erlebt Barcelona eine Sternstunde: Es sind Tausende, einfache Menschen, aber auch die politische Schicht, Künstler, Intellektuelle, die die Straßen füllen und den Totenwagen begleiten. Balcone werden mit Zeichen der Trauer geschmückt. Die Fotoaufnahmen sind überwältigend. Antoni Gaudí war nie ganz alleine gewesen.
Quellen:
Joan Bergós y Massó, Gaudí, el hombre y la obra. Lunwerg, Barcelona 1999, S. 42
Ana M. Férrin, Gaudí. De piedra y Fuego, Jaraquemada Ed. 2001, S89-115
Cèsar Martinell, Gaudí i la Sagrada Família comentada per ell mateix, Cossetània Edicions, Valls 1999², S .113-114
Armand Puig i Tàrrech, La Sagrada Familia segons Gaudí – Comprendre un símbol, Portic, Barcelona 2010, S. 31
Josep Maria Tarragona, L'itinerari místic d'en Gaudí, 2009, http://www.antonigaudi.org/Cat/7/440/1.htm
Wahrscheinlich hat Antoni Gaudí nie das gemacht, was wir Urlaub nennen. Häufig ist er am Sonntag einige Stunden bis zum Außenmolle des Hafens von Barcelona gegangen und das Mittelmeer, Licht und Farbe betrachtet... Das war alles, das war seine reduzierte "Erholung". Sein Leben ist ein Leben der intensiven, leidenschaftlichen Arbeit gewesen. Wir fragen uns hier deshalb nach seiner Einstellung, nach seinen Gedanken über die Arbeit.
Gaudí hat ohne Ruhe die Perfektion gesucht – schreibt Bergós, der schon 1914 den katalanischen Architekten persönlich kannte. Jede neue Entwicklung, jede Bautechnik, die er erfunden hatte, wurde einer soliden Prüfung und Selbstkritik unterzogen. Zu einer Gruppe von Architekten, die die erste Fassade der Sagrada Familia besuchten und ihn nach der angewandten Techniken fragten, sagte er: "Sie haben studiert und sind darüber erstaunt, dass sie nicht verstehen, was ich hier tue. Der Grund ist, dass auch ich studiert habe, aber immer weiter studiere und arbeite ohne Ende". Er suchte immer Mitarbeiter, die geduldig und fügsam ihm bei der Forschungsarbeit helfen konnten. "Der Bauleiter – sagte Gaudí – soll die großen Opfer bringen; die Mitarbeiter die kleineren Opfer, die der Bauleiter nicht unbedingt machen muss. Der Bauleiter soll auch die nötigen Hilfsmittel für die Durchführung seiner Befehle zur Verfügung stellen, und dabei den Mitarbeitern zur Seite stehen. Weh denen, die sich über schlechte Untergebenen beklagen!". Die Fassade der Palau Güell z. B. wurde achtundzwanzigmal gezeichnet; eine große Belastung für seiner Mitarbeiter, was ihm sehr bewusst war: "Ich habe meine Mitarbeiter richtig müde gemacht, immer mit dem Wunsch, alles zu verbessern; trotzdem habe ich die Sachen erst dann für gut erklärt, als ich fest davon überzeugt war, sie nicht vollkommener machen zu können".
Das Beste musste trotzdem immer auch vernünftig sein; zum Beispiel bei der Anwendung vom "Trenkadís": Für Hausfassaden, Dächer, Kamine etc. hat er das "Trencadís" entwickelt; eine letzte Schicht aus zerbrochenen Resten von Kacheln, Keramik und Glas. Das Material hat Gaudí für sehr wenig Geld besorgt und konnte trotzdem einen farbigen, kunstvollen und dauerhaften Schutz der Mauer bewirken. Für die Türme der Sagrada Familia hat er aber das Material für dieses Trencadís in Venedig erstellen lassen. Also, das Beste für Wohnhäuser war für eine Kathedrale nicht gut genug. Die strenge Logik im Bau ist ein wesentliches Merkmahl im Werk dieses Architekten. Gaudí spielt nicht willkürlich mit den Formen; gerade die Verschmelzung von Inspiration, Phantasie und Kunst, mit einer genialen Statik und Logik im Bau machen sein Werk zu einem Meilenstein in der Geschichte der Architektur.
César Martinell berichtet von den Erklärungen des Architekten vor einer großen Gruppe von Studenten, die den Bau der Sagrada Familia am 23. Januar 1915 besuchten. Auch Beschreibungen der Hauptfassade (2012 immer noch nicht gebaut) kamen zur Sprache. Ein Gedanke von Gaudí scheint nicht ganz korrekt wiedergegeben zu sein: "Auch die Menschheit wird dort dargestellt sein: Der Mensch vor der Sünde und wie er durch die Sünde zur Arbeit verdammt wurde". Martinell hat sich bei diesem Besuch Notizen gemacht, aber erst 1951 sie für sein Buch "Gaudí i la Sagrada Família" ausformuliert. So ist eine gewisse Unpräzision gut denkbar. Antoni Gaudí hatte in dieser Zeit, mit fast 63 Jahren, schon eine hervorragende Kenntnis der Bibel; er wusste mit Sicherheit, dass (nach dem Bericht im 3. Kapitel des Genesis) nach der Sünde, die Schwere der Arbeit kam, nicht aber selbst die Arbeit. "So ist verflucht der Ackerboden deinetwegen. / Unter Mühsal wirst du von ihm essen / alle Tage deines Lebens" (Gen 3,17b). Die Arbeit selbst als Teil der Schöpfung wird im 2. Kapitel formuliert, also vor der Sünde: "Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte" (Gen 2,15). Auch gegen die Arbeit als Strafe Gottes spricht die enorm positive Einstellung des Architekten, der die Arbeit als Dienst, vollkommenen Dienst, an Gott und an die Menschen betrachtete. Er hatte in dieser Zeit schon die Entscheidung getroffen, sein restliches Leben als Architekt Gottes zu verbringen, eben durch seine Arbeit.
Quellen:
Joan Bergós y Massó, Gaudí, el hombre y la obra. Lunwerg, Barcelona 1999, S. 33-34
Cèsar Martinell, Gaudí i la Sagrada Família comentada per ell mateix, Cossetània Edicions, Valls 1999², S. 27
Ohne Zweifel hat Antoni Gaudí eine tiefgreifende christliche Erziehung erhalten. Zunächst von der Mutter, Antònia; es waren die Zeiten der Kindheit in Riudoms und im "Mas de la Calderera", dem einfachen Landhaus der Familie, wo Antoni wegen rheumatisches Fiber lange Zeiten verbringen musste. Dort hat er einen intensiven Kontakt mit der Natur gehabt; intensiv, auch weil seine Beobachtungsfähigkeit enorm ausgeprägt war. Eine bezeichnende Anekdote stammt aus dieser Zeit: Der Lehrer wollte den Kindern beibringen, wie die Flügel den Vögeln das Fliegen ermöglichen. Der kleine Antoni unterbrach den Lehrer mit dem Einwand, dass die Hühner im "Mas de la Calderera" die Flügel gebrauchten um schneller zu laufen.
Von der Mutter hat er aber nicht nur beten gelernt; sie hat ihm erleichtert, die Natur als Schöpfung zu sehen. Also, dass hinter allem, was der junge Gaudí dort bewunderte, eine höhere Intelligenz stand, die alles gedacht und geformt hatte. Später würde diese Art und Weise, die Natur zu sehen, eine wesentliche Rolle in seiner Architektur spielen: Die Gesetzlichkeit der Schöpfung, die Statik der Natur, hat Gaudí als ein Modell betrachtet, vor dem er lernen konnte; aus der Natur würde er neue, kühne Strukturen ableiten – wie z. B. die auf die Kettenkurve (Katenoide) basierende Bögen und Türme .
Später kam die Zeit der Schule in Reus, bei den Piaristen. Die einfache christliche Erziehung durch die Mutter wurde weiter vertieft im Religionsunterricht. Das letzte Schuljahr würde Antoni in Barcelona absolvieren. Mit 16 zieht er im Jahre 1868 mit seinen Geschwistern Rosa und Francesc nach Barcelona. Die politische und soziale Atmosphäre in Barcelona ist unruhig. In der Großstadt würde die Entwicklung seiner Beziehung zu Gott etwas stagnieren. Später, in der Zeit als Student und jünger Architekt, besucht er die intellektuellen Kreisen in den literarischen Cafés und im Ateneu (Athenäum) der Stadt. Ohne Kontaktängsten pflegt er den Umgang auch mit Atheisten, Anarchisten, Freimaurern... Trotzdem bleibt er seiner christlichen Religiosität treu.
Sehr früh, noch mit 31 Jahren, bekam er 1883 etwas zufällig den Auftrag, den Bau der Kirche der Sagrada Familia zu übernehmen: Die Krypta hatte Francisco de Paula del Villar Lozano angefangen. Dieser Architekt hatte den Auftrag durch die Freundschaft mit Josep Maria Bocabella, dem Förderer der Sagrada Familia, erhalten, schien aber nicht in der Lage, so einen Bau zu entwerfen und zu leiten. Er trat zurück. So bekam der Architekt Joan Martorell das Angebot, weiter zu bauen. Als rechtschaffener Mensch aber wollte er nicht das Angebot annehmen, denn er war als Berater in den Sitzungen beteiligt gewesen, die zum Rücktritt von Francisco de Paula del Villar geführt hatten. Er schlug dann Antoni Gaudí vor, der für ihn arbeitete. Die Genialität des jungen Architekten war ihm gut bekannt.
Dieser Schritt würde im Leben von Gaudí einen langen aufsteigenden Weg in seiner Beziehung zu Gott eröffnen. Eine völlige Identifizierung mit dem Auftrag war immer eine Selbstverständlichkeit seiner Arbeitsmethode gewesen. In diesem Fall war das Projekt aber eine Sühne-Kirche: das würde Folgen haben. Gaudí begann, sicht in der katholischen Liturgie zu vertiefen; eine oberflächliche Beschäftigung mit architektonischen Formen war bei ihm nicht denkbar. Er wollte alles über das Thema wissen, über die Baugeschichte der Kirchen, über Liturgie, über Sühne und Opfer. Der Architekt sucht die beste Beratung: Es sind die Bischöfe von Astorga (grau-klein), von Vic (Torras i Bages), von Mallorca (Campins), die ihm zur Seite stehen; auch die Priester Enric d'Ossó und Mossèn Jacint Verdaguer. Er studiert die wichtigsten und aktuellsten liturgischen Schriften. Er sollte die Kirche der Sagrada Famila bauen, aber durch diese Hingabe an den Bau hat eigentlich die Kirche ihn gebaut; ihn innerlich geformt und allmählich verwandelt.
Während der Fastenzeit im Jahre 1894 fastet Antoni Gaudí so streng, dass seine Gesundheit enorm darunter leidet. Sein Freund Josep Torras i Bages, später Bischof von Vic, wird ihn überzeugen, damit aufzuhören. Antoni braucht unbedingt einen geistlichen Begleiter und wird bei den Oratorianern von St. Philip Neri fündig: zunächst war sein Berater Pater Lluis M. de Valls, später Pater Agustí Mas. Die hl. Messe und die eucharistische Anbetung wurden in seinen Alltag integriert und haben ihm die Kraft gegeben, auch im menschlichen besser zu werden. Gegen Ende seines Lebens hat er vor Freunden zugegeben – trotz seiner Mühe und dem Fortschritt in vielen Bereichen – seinen schlechten Charakter immer noch nicht in den Griff bekommen zu haben. Das Genie blieb bis zum Tod stark in seinen Überzeugungen, sehr bestimmt in Fragen seines Berufes, obwohl im Umgang mit einfachen Menschen, mit den Armen und Kranken äußerst gütig und großherzig gewesen ist. So ging er nicht selten zum Hospital de la Santa Creu, um Sterbenden den letzten Stunden Gesellschaft zu leisten. Dorthin, zu diesem Hospital, würde er später durch einen bis jetzt unerklärten Zufall am 7. Juni 1926 nach dem Straßenbahn-Unfall gebracht werden.
1915, im Alter von 63 Jahren, trifft er die Entscheidung, ausschließlich für die Sagrada Familia zu arbeiten. Seine Beziehung zu Gott wird immer intensiver. Er führt ein Leben des Verzichtes, eine Leben in Armut; ein Leben des Opfers, denn auch die Kirche, die er baute, eine Kirche des Opfers, der Sühne, werden sollte. Er lebt kontemplativ mitten in seiner Arbeit am Fuß der neuen Kathedrale. Dort hat er in den letzten Monaten seines Lebens auch oft übernachtet, denn der Weg zu seinem Haus im Park Güell wurde ihm zu mühsam, besonders nach dem Tod von einem der Bildhauer, der nah am Park gewohnt hatte und zusammen mit ihm nach der Arbeit, am Abend, die Strecke gegangen war.
Seine persönliche Beziehung zu Gott ist in der Sagrada Familia zu einem Steinbau geworden. Armand Puig i Tàtterch, Dekan der Theologischen Fakultät von Katalonien, fasst nach einer langen Studie über die Sagrada Familia seine Ergebnisse mit den Worten zusammen: "Ich konnte die Größe der gaudinischen Synthese entdecken. Aber was mich am fiefsten ergriffen hat, war die Seele eines Mystikers berühren zu dürfen. Ich konnte die Sprache der Steine und der Kunst, des Lichtes und der Form hören; eine Architektur durch die Schönheit des christlichen Mysterion durchdrungen".
Quellen:
Joan Bassegoda Nonell, Símbolos y simbolismos ciertos y falsos en la obra de Antonio Gaudí. Anales de Literatura Española. N. 15 (2002), S. 231-236
Ana M. Férrin, Gaudí. De piedra y Fuego, Jaraquemada Ed. 2001, S. 89-90
Armand Puig i Tàrrech, La Sagrada Familia segons Gaudí – Comprendre un símbol, Portic, Barcelona 2010, S. 11 und 31-33
Nein. Es gibt keine Zeugnisse, die das belegen. Wir wissen, dass Gaudí seinem christlichen Glauben treu geblieben ist, obwohl er in der Studienzeit in Barcelona und als junger Architekt seine Religiosität recht durchschnittlich gelebt hat. Erst der Bau der Kirche Sagrada Familia (ab 1883) hat ihn – durch die Identifizierung mit dieser Arbeit – allmählich zur Vertiefung seiner Beziehung zu Gott gebracht. In den letzten Lebensjahren lebte er gewollt arm, wie ein neuer Franz von Assisi, doch aber als Architekt, dem Kirchenbau völlig hingegeben.
Anlass für die falsche Vorstelleung, er sei Freimaurer gewesen, könnte man vielleicht in seinen ersten Jahren in Barcelona finden und im vielfältigen Gebrauch von grafischen Zeichen.
Erste Zeit in Barcelona: Im September 1868 zieht Antoni Gaudí von Reus nach Barcelona, wo er das letzte Schuljahr absolvieren wollte und gleichzeitig mit der Vorbereitung auf die Aufnahme in die Hochschule für Architektur anfangen würde. Die politische und soziale Atmosphäre in Barcelona ist unruhig: In diesem Jahr 1868 fand die Erhebung La Gloriosa statt; Isabella II. ging ins Exil nach Frankreich. 1873 wurde die Erste Republik ausgerufen. Die Industrielle Revolution war voll im Gange – begleitet von schlechten sozialen Umständen bei den Arbeitern. Gaudí besucht die intellektuellen Kreisen in den literarischen Cafés und im Ateneu (Athenäum) der Hafenstadt. Ohne Kontaktängsten pflegt er den Umgang auch mit Atheisten, Anarchisten, Freimaurern... Seine ausgeprägte christliche Einstellung und die Sorge um die Lage der Arbeiter finden in diesen Kreisen einen gewissen Einklang. 1878, mit dem frischen Architektur-Titel in der Tasche, baut er für seinen Freund Salvador Pagès i Anglada die "Cooperativa obrera de Mataró", eine – damals utopische – soziale Initiative, wo die Arbeiter sich am Gewinn der Produktion beteiligen sollten, und dazu auch eine Wohnung bekamen. Salvador Pagès versucht ihn für seine Ideen zu gewinnen. Gaudí geht nicht ein; der Atheismus von Salvador Pagès bremst ihn. Er hat sich später von diesen Kreisen allmählich distanziert.
Was die Fülle an symbolische Zeichen betrifft: Diese sind entweder religiöse Zeichen, die er meistens nicht erklärt und auch nicht immer eindeutig formt, oder aber selbst erfundene Zeichen, die – oft etwas verschleiert – meistens christliche Wirklichkeiten zeigen. Dazu kommen einige mythologische und patriotische Symbole. Ein Beispiel für die erfundenen Zeichen findet man am Türklopfer des Hauses Calvet: Das Kreuz vernichtet (schlägt) die Sünde; diese wird durch eine Wanze dargestellt, denn sie (die Hauswanze oder Bettwanze) saugt Menschenblut, so wie die Sünde dem Menschen das Leben ruiniert.
In der "Cátedra Gaudí" (Lehrstuhl Gaudí, in der Hochschule für Architektur in Barcelona, ETSA) sind zahlreiche Studien über die Symbolik des Architekten zugänglich, die eine Vermutung der Freimaurerei nicht mehr zulassen.
Quellen:
Armand Puig i Tàrrech, La Sagrada Familia segons Gaudí – Comprendre un símbol, Portic, Barcelona 2010, S. 28
Joan Bassegoda Nonell, Símbolos y simbolismos ciertos y falsos en la obra de Antonio Gaudí. Anales de Literatura Española. N. 15 (2002), S. 231-236
Ana M. Férrin, Gaudí. De piedra y Fuego, Jaraquemada Ed. 2001, S. 89-90
©2012 Ignacio Brosa, Munich